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Zur Gründung der Ophthalmologischen Gesellschaft in Wien

(Wie alt ist diese Gesellschaft tatsächlich?)

Die Gründung der Ophthalmologischen Gesellschaft in Wien erfolgte nicht – wie ursprünglich angenommen – im Jahre 1904, sondern schon am 6. Juni 1903: Der Wiener Augenarzt Privat-Dozent Dr. Moritz SACHS, Schüler und Assistent von FUCHS, stellte am 26. Mai 1903 den Gründungsantrag. Bereits am 6. Juni 1903 teilte die K. K. Statthalterei in Wien mit, „dass die Vereinsgründe nicht untersagt werde”. Die einschlägigen Dokumente befinden sich im Vereinsarchiv der Bundespolizeidirektion in Wien. Am 10. Juni 1903 fand die 1.Sitzung der ins Leben gerufenen Gesellschaft statt. Prof. SCHNABEL, damals Vorstand der 1.Universitätsaugenklinik in Wien, führte den Vorsitz, Doz. SACHS fungierte als Schriftführer.

Die Frage nach dem Alter unserer Gesellschaft dürfte angesichts der für heuer anberaumten 100-Jahr-Feier etwas merkwürdig anmuten; sie hat aber durchaus ihre Berechtigung.
Die ursprüngliche Annahme, dass die Ophthalmologische Gesellschaft in Wien heuer 100 Jahre alt geworden sei, beruht nämlich auf einem Irrtum der Ophthalmologengeneration vor uns: Sie feierte das 50-jährige Bestehen der Gesellschaft im Jahre 1954. Nach diesem Datum wurde nun die 100-Jahr-Feier ausgerichtet. Als erste Zweifel an der Richtigkeit dieses Zeitplans auftauchten, war es zu spät, um die bereits angelaufenen Vorbereitungen noch stoppen zu können. Und so feierten wir heute ein Jubiläum, das aufgrund historischer Tatsachen um 1½ Jahre zu spät angesetzt worden ist. Die Veranstalter bitten um Vergebung; sie sagten sich, besser zu spät als gar nicht.
Am 26. Mai 1903 stellte der Privatdozent Dr. Moritz SACHS den Antrag an die K. K. Statthalterei um Genehmigung der Statuten einer zu gründenden Ophthalmologischen Gesellschaft in Wien; schon 2 Tage später wurde der Antragsteller – vermutlich zum mündlichen Vortrag – in die K. K. Statthalterei vorgeladen.
Bereits am 6. Juni 1903 erfolgte die amtliche Bestätigung, dass „die Bildung des beantragten Vereins nicht untersagt wurde“. Dieses Dokument entspricht der Geburtsurkunde der Ophthalmologischen Gesellschaft in Wien; das Original befindet sich im Vereinsarchiv der Bundespolizeidirektion. Das Datum des 6. Juni ist übrigens bemerkenswert: Dieser Tag war ein Samstag, dennoch aber – wie damals auch in Ämtern üblich – nicht arbeitsfrei.
Schon am 10.Juni 1903 fand die Eröffnungssitzung der Gesellschaft statt: Den Vorsitz führte Prof. SCHNABEL, Schriftführer war Doz. SACHS; beide bestritten, zusammen mit Dr. LAUBER, das Programm der 1. Sitzung der Ophthalmologischen Gesellschaft in Wien. Es mutet zugegebenermaßen nach heutigen Maßstäben ein wenig bescheiden an: 1 Fallbericht über Exophthalmus pulsans durch ein Rankenaneurysma der Arteria ophthalmica, sodann eine zoologische Information über das Auge des Schwertfisches, ein Hinweis auf Spezialgläser für den Brillenkasten, und schließlich ein Vortrag über die Theorie der Skiaskopie.

Wer waren die 3 Akteure der Gründungssitzung?
Der älteste von ihnen, Isidor SCHNABEL, ein Schüler Eduard JAEGERs, wurde 1895 zum Vorstand der 1. Universitätsaugenklinik in Wien ernannt, nachdem er davor den ophthalmologischen Lehrstuhl in Innsbruck, dann in Graz und schließlich in Prag innehatte.
Moritz SACHS war Schüler von FUCHS und als Assistent an dessen Klinik tätig; von 1914 bis 1935 wirkte er als Primarius der Augenabteilung des Wiedner Spitals in Wien. Hans LAUBER schließlich begann seine Karriere als Schüler SCHNABELs; 1931 wurde er als Ordinarius an die Warschauer Universitätsklinik berufen.

Zum Schluss mag es reizvoll sein, den Blick in die Vergangenheit nicht nur auf die amtlichen Fakten der Ophthalmologischen Gesellschaft in Wien zu richten, sondern auch das Tagesgeschehen vom 6. Juni 1903 im Spiegel zu betrachten; das Zeitungsarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek bietet dazu eine reiche Auswahl:
So berichtet die ARBEITERZEITUNG über ein Ereignis, aus dem hervorgeht, wie leicht ein Soldat auch im Frieden wegen einer Insubordination gegenüber einem Vorgesetzten sein Leben verlieren konnte. Ein angetrunkener Gemeiner vergaß, einen vorbeikommenden Fähnrich zu grüßen und versuchte zu fliehen, als ihn der Fähnrich kurzerhand festnehmen wollte; der Fähnrich erstach ihn daraufhin kurzerhand. Man darf sagen, dass sich die Zeiten inzwischen doch ein wenig gebessert haben.
Im NEUEN WIENER TAGESBLATT findet sich eine ironische Stellungnahme zur Zensur von Büchern und Theaterstücken unter dem Titel „Verbotene Früchte“. Dem Leser des Feuilletons wird bewusst, wie sehr der monarchische Obrigkeitsstaat durch seine Zensurbehörde noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Literaturbetrieb eingegriffen hat.
Am 6. Juni 1903 wurde dem NEUEN WIENER TAGESBLATT per Telegramm ein Auszug aus der Berliner klinischen Wochenschrift übermittelt, den die Zeitung noch am selben Tag unter dem etwas reißerischen Titel „Die Blinden werden Sehend – ein neues Wunder des Radiums“ veröffentlichte: Zwei Knaben, die im 1. Lebensjahr erblindeten, waren imstande, auf einem Radiumschirm Gegenstände zu sehen, die sie bisher nur durch Abtasten erkennen konnten. Es gereicht dem Tagblatt zur Ehre, dass es diesen Artikel nicht kommentarlos erscheinen ließ, sondern gemeinsam mit einer Stellungnahme des Wiener Augenarztes Professor KÖNIGSTEIN abdruckte, der sich aus guten Gründen ziemlich skeptisch zeigte.
Als letztes sei noch der Hinweis auf eine Theaternotiz in der WIENER ZEITUNG vom 6. Juni 1903 gewissermaßen in eigener Sache gestatte: Am Abend dieses Tages wurde im K. K. Hof-Operntheater Verdi’s Rigoletto aufgeführt; den Herzog von Mantua sang ein berühmter Tenor, mein Namensvetter Leo Slezak.

Autor: Hans Slezak
Aus der WMW Wiener Medizinische Wochenschrift, Volume 154